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Solidarische Beziehungen und verlässliche Zukunftsperspektiven statt gnadenlose Konkurrenz! Reaktionen auf den offenen Brief an Minister Thümler

Solidarische Beziehungen

Nach dem die Initiative aus Anlass eines bundesweiten Aktionstags am Tag der Veröffentlichung der Richtlinien der Länder zur Vergabe der Mittel des Zukunftsvertrags einen offenen Brief an den niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur geschickt hat, kam über die Pressabteilung der Universität Göttingen ein Antwortbrief von unserem neuen Universitätspräsidenten Prof. Dr. Jahn. Mit Interesse haben wir seine Antwort gelesen.

Hier nun ein Einordnung unserer Ideen und Forderungen:

Solidarische Beziehungen und verlässliche Zukunftsperspektiven statt gnadenlose Konkurrenz!
Der derzeitige Interimspräsident der Uni Göttingen, Reinhard Jahn, hat uns (überraschend) auf unseren offenen Brief an den Wissenschaftsminister geantwortet. Auf drei Seiten führt er aus, warum er unsere Forderung nach unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen „unsinnig“ findet. Wir wollen es uns – an dieser Stelle jedenfalls – sparen, im Einzelnen darauf einzugehen, was wir an Herrn Jahns Brief alles frag- und diskussionswürdig finden. Stattdessen wollen wir grundsätzlich herausstellen, wo die fundamentale Differenz zu unserer Initiative liegt. Denn zu der Forderung allen Universitätsangehörigen planbare Lebensperspektiven zu ermöglichen, fällt Herrn Jahn nichts Anderes ein als das Hohelied der gnadenlosen Konkurrenz anzustimmen: „Der dauerhafte Verbleib im Wissenschaftssystem ist und bleibt wettbewerbsorientiert. Wenn Sie zu den Besten Ihres Fachs gehören, stellen Sie sich dem Wettbewerb!“

Wir wollen keine Universität, in der jede*r mit jede*m konkurriert, in der man permanent zu einem „‚Benchmarking‘ der eigenen Leistung in Bezug auf Leistungen anderer“ aufgefordert wird, in der man Kolleg*innen als Konkurrent*innen ausschalten muss, um die eigene Weiterbeschäftigung zu sichern. Wir wollen keine Universität, die Kinder, Angehörige und soziales Umfeld zu Beschäftigungsrisiken macht, die soziale Kontakte und Netzwerke zu Instrumenten für eine bessere Positionierung im dauernden Wettbewerb um den nächsten Job degradiert. Wir wollen keine Universität, die uns im Wortsinne den Schlaf raubt, weil wir trotz all der unbezahlten Überstunden nicht wissen, wie es weitergeht.

Wir wollen eine Universität, die es uns erlaubt kollegiale und solidarische Beziehungen zu pflegen, in der wir mit Kolleg*innen ohne Hintergedanken zusammenarbeiten und kooperieren können. Wir wollen eine Universität, in der wir zusammen aus Fehlern lernen und uns offen austauschen können, eine Universität, in der wir uns nicht die Ellbogen in die Rippen stoßen, sondern Forschung und Lehre gemeinsam weiterentwickeln. Wir wollen eine Universität, die es uns erlaubt, unseren Familien, unseren Freund*innen und sozialen Beziehungen die Zuwendung zukommen zu lassen, die sie verdient haben. Wir wollen eine Universität, die uns nachts ruhig schlafen lässt, weil wir wissen, dass wir auch noch in den nächsten Monaten und Jahren einen Job haben.

Wir haben kürzlich unsere Kolleg*innen gebeten aufzuschreiben, was sich für sie mit einer Entfristung ändern würde. Die Antworten haben uns nicht überrascht und sie sind bezeichnend: Ganz oft fanden sich Aussagen wie die, dass es „mehr Gelassenheit“ geben und sich die „psychische Situation verbessern“ würde, die „Atmosphäre“ angenehmer werden und das „Konkurrenzdenken“ zurückgehen würde, man „Sicherheit“ und die „Möglichkeit die eigene Zukunft zu planen“ gewänne. Oder schlicht, wie es eine Person sehr prägnant formulierte: „Weniger Zukunftsängste, mehr Schlaf!“

Wir haben unsere Kampagne begonnen, weil die gegenwärtigen Zustände unerträglich sind und wir wissen, dass eine andere Universität möglich ist. Eine wachsende Zahl von Kolleg*innen teilt dieses Wissen oder zumindest die Hoffnung auf Veränderung. Auch Herr Jahn und die Universitätsleitung wissen, dass es anders sein könnte. Sie spüren, dass die bisherige Selbstverständlichkeit befristeter Beschäftigung an den Hochschulen immer mehr ins Wanken gerät. Nur weil sie fürchten, dass ihnen die Felle davonschwimmen könnten, holen sie jetzt den Holzhammer raus, um die entstehende Bewegung so früh wie möglich zu unterbinden. Es wird ihnen nicht gelingen.