Im Rahmen einer Fishbowl-Diskussion haben wir, eine Gruppe von Interssierten, uns am 7. November mit dem Zusammenhang von entfristeten Stellen und Gleichstellung an der Universität Göttingen auseinandergesetzt. Konkret ging es um zwei Fragen: Erstens, welche Auswirkungen Entfristung auf Gleichstellung hätte und zweitens, ob umfassende Entfristung der Gleichstellung der Geschlechter sogar entgegenwirken könnte. Dieser Bericht ist eine Zusammenfassung der Diskussion und repräsentiert die Meinung der Teilnehmenden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Diskriminierung besteht fort
In einem Eingangsstatement wurde die grundlegende Problematik umrissen: Frauen stünden im Alter von ca. 30-40 Jahren vor einer zugespitzten Entscheidung zwischen Karriere und Familienplanung. Während der Frauenanteil an Universitäten seit den 1990er Jahren steige, habe sich die reproduktive Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern, also zum Beispiel die Kinderbetreuung, nicht wesentlich geändert. Zudem lasse sich ein trotz des gestiegenen Anteils von Frauen in der universitären Beschäftigung eine geschlechtliche Arbeitsteilung feststellen: Frauen seien überproportional in weniger renommierten Bereichen, etwa der Lehre und der Verwaltung, beschäftigt als Männer, die sich häufiger auf Forschungsstellen befänden.
Fehlende Transparenz bei Stellenbesetzungen
In der Diskussion gab es einige Punkte, die sofort auf der Hand lagen und bei denen wir uns alle einig waren und einige neue, überraschende Diskussionspunkte, die wir in der Kampagne gerne weiterverfolgen wollen. Als Problem identifizierten wir die Vergabe von Stellen im akademischen Mittelbau: Im Gegensatz zu Professuren gibt es hierfür kein geregeltes Verfahren und eine Beteiligung von Gleichstellungbeauftragten ist nicht gesichert. Wir sehen hier das Problem, dass Menschen mit Diversitätsmerkmale in Bezug auf soziale Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe etc. bei der Besetzung von entfristeten Stellen benachteiligt werden könnten und es somit zu einer ungewollten Zementierung von Ungleichheit kommt. In diesem Zusammenhang ist uns wichtig, dass wir nicht nur eine deutliche Erhöhung der Anzahl entfristeter Stellen wollen, sondern auch eine größere Diversität des wissenschaftlichen Personals anstreben, das sich immer noch zu einem großen Anteil aus (weißen) Männern aus dem bildungsbürgerlichen Milieu rekrutiert. Befristung bewirkt in besonderer Weise den sozialen Ausschluss von Personen ohne stabilen finanziellen oder Bildungshintergrund – besonders von Frauen. Die Perspektive unsicherer Stellen sowie gelegentlicher Arbeitslosigkeit vor, nach und während der Promotion hält Wissenschaftler*innen aus der Arbeiterklasse sowie Frauen von der akademischen Karriere ab. Ihre Entscheidung für sicherere Arbeitsverhältnisse in der Verwaltung oder der Privatwirtschaft, also dem Ausscheiden aus dem Wissenschaftsbetrieb, ist kein Ergebnis individueller Präferenzen, sondern ihrer jeweiligen Ressourcenausstattung und sozialer Schichtung. Die Dauerbefristung an Universitäten trägt zur Reproduktion bürgerlicher Wissenschaftseliten und zur Schließung des Zugangs zu Professuren bei. Sie widerspricht somit sämtlichen universitären und politischen Leitbildern, die Diversität als Ziel formulieren. Sie schließt zudem beständig und strukturell Perspektiven aus der Wissenschaft aus.
Entfristungen sind keine Belohnungen!
Final lehnten wir einhellig die Möglichkeit ab, Entfristungen als Belohnungen für besonders gutes bisheriges Verhalten ab. Wir lehnen diese Form von Entfristung dezidiert ab, da sie Ungleichheit und Ausbeutung zementiert. Stattdessen fordern wir eine transparente und demokratisch gestaltete Ausschreibung von entfristeten Stellen, die nicht auf bestimmte Personen zugeschnitten ist, sondern sich von den nötigen Daueraufgaben einer Institution her definiert. Auf diese Stellen sollen sich alle möglichen Personen, die für diese Art der Arbeit befähigt sind, bewerben können und sich auch dazu aufgefordert fühlen.